2_Teilwahrheiten

Montag, 17. Juli 2006

Udo

Meine erste große Liebe war Udo. Nein, eigentlich Kurt, aber in Kurt war ich nicht wirklich verliebt. Also war es doch Udo. Udo trug immer eine schwarze Lederjacke, enge Jeans und Cowboystiefel. Er spielte Schlagzeug und konnte Bleistifte mit seiner Bauchmuskulatur zerbrechen. Er war der Coolste der Schule und alle Mädchen waren in ihn verliebt. Das war schon immer so: Ich verliebe mich ausschließlich in Männer, in die schon sehr viele andere Frauen verliebt sind.

Mein erster Kuss von Udo war leider auch mein letzter. Es war dramatisch: An der Bushaltestelle, ganz unerwartet, mitten im Gespräch, leidenschaftlich. Leiden schaffte dann auch der Bus, der genauso unerwartet kam wie der Kuss. Wir mussten uns trennen, in letzter Sekunde gelang mir der Sprung in das Fahrzeug. Ich blieb hinter der Tür stehen und blickte traurig hinaus, in Udos große braune Augen. Ich fühlte mich wie in einem dieser schwarz-weiß Filme, in dem weinende Frauen in abfahrenden Zügen am Fenster sitzen und Männer mit Seelenschmerzerfülltem Gesicht dem Zug und den Frauen hinterher laufen. Udo blieb grinsend stehen. Bei dieser Gelegenheit lernte ich dann auch die Bedeutung von "Ich ruf' dich an".

Der Udo-Mythos beeinflusst mich seitdem auf meiner Bräutigamsschau. Udos Abbild ist mein Beuteschema. Wen ich dann wirklich erlege sind meistens Männer, über die Udo sich früher lustig gemacht hat. Meine beste Freundin Luise hat das Udo-Drama damals miterlebt und miterlitten. Als Schaulustige, Therapeutin und Botschafterin. Vor kurzem, 16 Jahre später, gehe ich mit Luise durch die Fußgängerzone. Du musst jetzt sehr, sehr stark sein, sagt sie auf einmal. Ich drehe mich um und sehe den wilden Udo. Mit Kinderwagen, Strickpulli und gelangweiltem Gesichtsausdruck. Völlig unwild. Er sieht aus wie einer, über den er sich früher lustig gemacht hat.

Ich muss jetzt umdenken. Es wird bestimmt eine Weile dauern, bis ich wieder jemanden finde, der Bleistifte mit seiner Bauchmuskulatur zerbrechen kann.

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Freitag, 14. Juli 2006

Meine Oma und die Männer

Als ich mich von meinem Ex getrennt habe, strich mir meine Oma ausnahmsweise zärtlich über die Wange und sagte: Das wird schon wieder. Diesem bedeutungsschwangeren Satz fügte sie noch hinzu: Ich wünsche dir einen Mann, der sich um dich kümmert, dich ausführt und über den du dich aufregen kannst - bis der Richtige kommt. Davon habe ich mittlerweile vier. Also nicht vier Richtige, sondern vier Tischherren. Sie erledigen sogar Reparaturen aller Art. Als fester Freund und Inhaber exklusiver Besuchs- und Bettrechte eignet sich allerdings keiner.

Jetzt, eineinhalb Jahre später, streicht meine Oma mir über die Wange und seufzt: Das wird nix mehr ...

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Mittwoch, 12. Juli 2006

Schreie

Ich sitze noch im Büro, bei offenem Fenster. Draußen höre ich Männer schreien. Sie stöhnen laut, es hört sich nach Kampf, Schmerzen und Angst an. Ich überlege ernsthaft, ob ich mich fürchten soll. Oder die Polizei rufen? Oder raus rennen und mich zwischen die Kämpfenden werfen? Todesmutig würde ich in gezückte Messer blicken, die dem Testosteronrausch verfallenen Männer trennen und den Streit mit sachlichen Argumenten schlichten. Am nächsten Tag würde ich in der Zeitung stehen, weil ich zwei Männern das Leben gerettet habe. Dem einen, weil er weiterlebt, dem anderen, weil er nicht in den Knast muss.

Da schreit schon wieder einer laut. Mich gruselt's. Und dann noch ein Schrei: Toooooooooooooor!

Es ist die Senioren-Fußballmannschaft vom Sportplatz nebenan.

Ich gehe jetzt nach Hause.

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Ich hatte in Mathe einen Fensterplatz

Darum fällt mir das Kopfrechnen so schwer. Ich will ehrlich sein: Jede Art von rechnen fällt mir schwer. Und heute habe ich im Lotto gewonnen. Ich habe mich aber schon wieder etwas beruhigt: Auf meinen Lottoschein entfällt nur eine richtige Endziffer bei Super 6. Das ist nicht mehr als zweifuffzig. Diese Rechnung schaffe ich auch mit Fensterplatz. Ich spiele schon lange Lotto. Darüber habe ich mal nachgedacht: Wenn ich das Geld für alle Lottoscheine, die ich schon gekauft habe, gespart hätte, anstatt davon Lottoscheine zu kaufen, wäre ich dann schon Millionärin? Um das zu wissen, muss ich rechnen und genau: Ich hatte in Mathe einen Fensterplatz. Und wenn ich jetzt tatsächlich rechnen könnte und ausrechnen würde, dass ich dann schon Millionärin wäre, dann wäre ich ja meines Lebens nicht mehr froh. Ich würde mich selbst zermartern mit einem ins Hirn gebrannten "Hättest du nur ..." und ich würde anfangen zu weinen, bei dem Gedanken, was ich mir davon alles kaufen könnte. Wäre ich also ein Genie in Mathe, wäre ich todunglücklich.

Und wie so oft muss ich dann wieder meiner Oma Recht geben, die einfach weiß, worauf es ankommt: Mathe braucht man nicht für`s Leben.

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Dienstag, 11. Juli 2006

Ich bin Fußballfan

Heute bin ich sehr unmotiviert. Arbeiten fällt mir nicht leicht. (Nicht, dass es an anderen Tagen anders wäre.) Meine To-do-Liste wird immer länger und der Tag immer kürzer, ohne, dass ich irgend etwas erledige. Ich denke an den groß gewachsenen Zidane mit Schuhgröße 48. Wie der sich jetzt wohl fühlt? Nicht wegen der großen Füße. Wegen seines Abgangs. Der ist häßlich, sagt meine Kollegin. Für mich ist er ein Mann zum Heiraten - symbolisch. Genauso wie Klins- und Lehmann. Und Jürgen Klopp ist auch so einer. Symbolisch heiraten kann man alle Männer oder Frauen, die gut aussehen und die man sonst weiter nicht kennt. Das ist eine gute Einrichtung. So kann ich mich jedes Mal neu und parallel verlieben und ohne Rücksicht auf Verluste durch die Gegend heiraten. Ich kann immer wieder vorm Spiegel stehen, das Ja-Wort und die Aussprache meines neuen Namens einstudieren. Und die neue Unterschrift üben. Nicht auf dem Spiegel, sondern auf einem weißen Blatt. Oder auf der To-do-Liste.

zidane

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Wahajama

I have left the building.

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