Udo
Meine erste große Liebe war Udo. Nein, eigentlich Kurt, aber in Kurt war ich nicht wirklich verliebt. Also war es doch Udo. Udo trug immer eine schwarze Lederjacke, enge Jeans und Cowboystiefel. Er spielte Schlagzeug und konnte Bleistifte mit seiner Bauchmuskulatur zerbrechen. Er war der Coolste der Schule und alle Mädchen waren in ihn verliebt. Das war schon immer so: Ich verliebe mich ausschließlich in Männer, in die schon sehr viele andere Frauen verliebt sind.
Mein erster Kuss von Udo war leider auch mein letzter. Es war dramatisch: An der Bushaltestelle, ganz unerwartet, mitten im Gespräch, leidenschaftlich. Leiden schaffte dann auch der Bus, der genauso unerwartet kam wie der Kuss. Wir mussten uns trennen, in letzter Sekunde gelang mir der Sprung in das Fahrzeug. Ich blieb hinter der Tür stehen und blickte traurig hinaus, in Udos große braune Augen. Ich fühlte mich wie in einem dieser schwarz-weiß Filme, in dem weinende Frauen in abfahrenden Zügen am Fenster sitzen und Männer mit Seelenschmerzerfülltem Gesicht dem Zug und den Frauen hinterher laufen. Udo blieb grinsend stehen. Bei dieser Gelegenheit lernte ich dann auch die Bedeutung von "Ich ruf' dich an".
Der Udo-Mythos beeinflusst mich seitdem auf meiner Bräutigamsschau. Udos Abbild ist mein Beuteschema. Wen ich dann wirklich erlege sind meistens Männer, über die Udo sich früher lustig gemacht hat. Meine beste Freundin Luise hat das Udo-Drama damals miterlebt und miterlitten. Als Schaulustige, Therapeutin und Botschafterin. Vor kurzem, 16 Jahre später, gehe ich mit Luise durch die Fußgängerzone. Du musst jetzt sehr, sehr stark sein, sagt sie auf einmal. Ich drehe mich um und sehe den wilden Udo. Mit Kinderwagen, Strickpulli und gelangweiltem Gesichtsausdruck. Völlig unwild. Er sieht aus wie einer, über den er sich früher lustig gemacht hat.
Ich muss jetzt umdenken. Es wird bestimmt eine Weile dauern, bis ich wieder jemanden finde, der Bleistifte mit seiner Bauchmuskulatur zerbrechen kann.
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Mein erster Kuss von Udo war leider auch mein letzter. Es war dramatisch: An der Bushaltestelle, ganz unerwartet, mitten im Gespräch, leidenschaftlich. Leiden schaffte dann auch der Bus, der genauso unerwartet kam wie der Kuss. Wir mussten uns trennen, in letzter Sekunde gelang mir der Sprung in das Fahrzeug. Ich blieb hinter der Tür stehen und blickte traurig hinaus, in Udos große braune Augen. Ich fühlte mich wie in einem dieser schwarz-weiß Filme, in dem weinende Frauen in abfahrenden Zügen am Fenster sitzen und Männer mit Seelenschmerzerfülltem Gesicht dem Zug und den Frauen hinterher laufen. Udo blieb grinsend stehen. Bei dieser Gelegenheit lernte ich dann auch die Bedeutung von "Ich ruf' dich an".
Der Udo-Mythos beeinflusst mich seitdem auf meiner Bräutigamsschau. Udos Abbild ist mein Beuteschema. Wen ich dann wirklich erlege sind meistens Männer, über die Udo sich früher lustig gemacht hat. Meine beste Freundin Luise hat das Udo-Drama damals miterlebt und miterlitten. Als Schaulustige, Therapeutin und Botschafterin. Vor kurzem, 16 Jahre später, gehe ich mit Luise durch die Fußgängerzone. Du musst jetzt sehr, sehr stark sein, sagt sie auf einmal. Ich drehe mich um und sehe den wilden Udo. Mit Kinderwagen, Strickpulli und gelangweiltem Gesichtsausdruck. Völlig unwild. Er sieht aus wie einer, über den er sich früher lustig gemacht hat.
Ich muss jetzt umdenken. Es wird bestimmt eine Weile dauern, bis ich wieder jemanden finde, der Bleistifte mit seiner Bauchmuskulatur zerbrechen kann.
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I have left the building - Mo, 17. Jul, 15:35